Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart



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10 Urteile, die Sie interessieren könnten




zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
 


I.
Bewachung beladener Fahrzeuge durch Frachtführer
BGH, Urteil vom 23.07.2020, Az. I ZR 119/19

a) Im Frachthaftungsprozess kommt es nicht auf die Frage an, wem die Entschädigung letztlich zusteht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 20. April 1989 - I ZR 154/87, TranspR 1989, 413, 414 juris Rn. 16]).

b) Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 435 HGB erfüllt sind, ist auch dann zu prüfen, wenn nur ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO ergeht.

c) Die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Absenders, wonach beladene Fahrzeuge beim Parken zu überwachen oder dort abzustellen sind, wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist, erlegt dem Frachtführer keine über das gesetzliche Maß hinausgehenden Sorgfaltspflichten auf.

d) Aus § 7a Abs. 2 Satz 1 GüKG ergibt sich für den Absender keine gegebenenfalls zur Kürzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 BGB führende Warnobliegenheit.

e) Wenn der Frachtführer mangels eines ihm anzulastenden qualifizierten Verschuldens im Sinne des § 435 HGB nur beschränkt auf den Haftungshöchstbetrag gemäß § 431 HGB haftet, wirkt sich ein Mitverschulden des Absenders oder Empfängers nur dann auf seine Haftung aus, wenn sein auf den Gesamtschaden bezogener Haftungsanteil betragsmäßig hinter der Haftungssumme des § 431 HGB zurückbleibt.

f) Der Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 ZPO kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass ein Mitverschulden nicht zum gänzlichen Haftungsausschluss führt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - I ZR 212/08, NJW 2011, 2138 Rn. 35 - Mega-Kasten-Gewinnspiel, mwN).

g) Zu den Voraussetzungen, unter denen im Fall der gemäß § 435 HGB unbeschränkten Haftung des Frachtführers der Erlass eines Grundurteils in Betracht kommt.

II.
Grundstückskaufvertrag und unsichtbare Mängel
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. März 2020, Az. V ZR 2/19

Die in einem Grundstückskaufvertrag enthaltene Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt, rechtfertigt keine Abweichung von dem Grundsatz, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtiger Umstände trifft (Bestätigung von Senat, Urteil vom 30. April 2003 - V ZR 100/02, NJW 2003, 2380).

III.
Sozialversicherungsrechtliche Bewertung nach der konkreten Gestaltung der Tätigkeit
BGH, Beschluss vom 13.12.2018, Az. 5 StR 275/18

Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die sozialversicherungsrechtliche Bewertung ist nicht von einem abstrakten Tätigkeitsbild, sondern von der konkreten Gestaltung der jeweiligen Tätigkeit abhängig.

IV.
Pauschalreisevertrag: Haftung des Reiseveranstalters für unrichtige mündliche Erklärungen des Reisebüros zu ausländischen Einreisebestimmungen; Vorrang der mündlichen Erklärungen gegenüber dem Reiseprospekt
OLG Celle, Urteil vom 06. August 2020, Az. 11 U 113/19

1. Der Reiseveranstalter muss sich grundsätzlich alle inhaltlich unrichtigen Erklärungen des Personals des von ihm mit der Vermittlung von Pauschalreisen betrauten Reisebüros – etwa über Einreisebestimmungen am Zielort oder an einem Zwischenziel – zurechnen lassen.
2. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der dem Reisenden übergebene Reiseprospekt (oder ein vergleichbares elektronisches Dokument) in einem Anhang die zutreffenden Informationen erhält; es gilt der Grundsatz des Vorrangs des gesprochenen Wortes
3. Die Zurechnung erfolgt auch, wenn der Reisende sich zum Zeitpunkt der unrichtigen mündlichen Erklärung noch nicht für ein bestimmtes Reiseziel entschieden hatte.
4. Der Inhalt ausländischer Einreisebestimmungen lässt sich allein anhand eines – unstreitigen – Parteivorbringens bestimmen.

V.
LG Hannover, Urteil vom 06.06.2019, Az. 8 O 58/18

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des Preises für eine Fernreise und auf Entschädigung für vertanen Urlaub in Anspruch.
Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Klage ist der Beklagten am 12. Juli 2018 zugestellt worden.

VI.
Obliegenheitsverletzung in der Kfz-Kaskoversicherung durch Entfernen vom Unfallort
OLG Karlsruhe, Urteil vom 06. August 2020, Az. 12 U 53/20

1. Es stellt keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gemäß E.1.1.3, 1. Spiegelstrich AKB 2015 dar, wenn der Versicherte nach einem schweren Verkehrsunfall ohne Fremdbeteiligung und bei klarer Haftungslage zur Nachtzeit im Januar auf einer Landstraße in dörflicher Gegend, bei dem er sich eine blutende Kopfverletzung zugezogen hatte, trotz eines verursachten Fremdschadens von ca. 200 € den Unfallort zur ärztlichen Abklärung seines Gesundheitszustandes ohne Einhaltung einer Wartezeit verlässt.
2. Jedenfalls ist in einem solchen Fall das Entfernen von der Unfallstelle berechtigt.

3. Mit der telefonischen Unterrichtung der Polizei am nächsten Morgen wird in diesem Fall einer etwaigen Obliegenheit zur unverzüglichen nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen noch genügt.

VII.
Geschäftliche Handlung von Influencerin
OLG Karlsruhe, Urteil vom 09. September 2020, Az. 6 U 38/19

1. Veröffentlicht eine berufliche tätige Influencerin auf ihrem Instagram-Business-Account ein eigenes Foto, auf dem Tap-Tags zum Instagram-Auftritt eines dritten Unternehmens führen, so handelt sie auch dann geschäftlich, wenn sie hierfür keine Geldzahlung des dritten Unternehmens erhält.
2. Zur Frage, ob der kommerzielle Zweck eines solchen Posts, auch die geschäftlichen Interessen der dritten Unternehmen zu fördern, für die Adressaten auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar ist (hier verneint, wenn Tap-Tags auch zum Hinweis auf Accounts eingesetzt werden, die keine eigenen Absatzzwecke gegenüber den Nutzern von Instagram verfolgen).


VIII.
WEG-Versammlung in Zeiten von Corona
AG Kassel, Urteil vom 27. August 2020, Az. 800 C 2563/20

Die Corona-Pandemie rechtfertigt regelmäßig keine Beschränkung der Personenzahl auf einer Eigentümerversammlung auf einen Wert unterhalb der teilnahmeberechtigten Eigentümer incl. Verwalter. Spricht die Einladung zu einer Versammlung ohne ausreichende Rechtfertigung eine solche Beschränkung aus, so sind die auf der Versammlung getroffenen Beschlüsse wegen Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentums nichtig. Vorrangig ist ein Raum zu organisieren, in dem die Vorgaben der landesrechtlichen Corona-Schutzverordnungen eingehalten werden können.

IX.
Kommanditgesellschaft
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Juli 2020, Az. II ZR 175/19

Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend §422 Abs.1 Satz1, §362 Abs.1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung der von der Haftung erfassten Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht wurde. Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nicht allein davon abhängig, ob diese Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse gedeckt werden können.

X.
Beschlussfassung in WEG
Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Mai 2020, Az. V ZR 141/19

a) Ein Beschluss über eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG muss mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wobei auch die nicht beeinträchtigten Eigentümer stimmberechtigt sind; daneben muss ggf. die Zustimmung derjenigen Eigentümer vorliegen, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

b) Der Versammlungsleiter handelt nicht pflichtwidrig, wenn er einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG als zustande gekommen verkündet, obwohl nicht alle Eigentümer zugestimmt haben, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

c) Der Verwalter muss in Vorbereitung einer Beschlussfassung über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG prüfen, ob einzelne Wohnungseigentümer (und ggf. welche) ihre Zustimmung erteilen müssen, und er muss die Eigentümerversammlung vor der Beschlussfassung über das Ergebnis seiner Prüfung informieren und ggf. auf ein bestehendes Anfechtungsrisiko hinweisen.

d) Klärt der Verwalter die Eigentümerversammlung vor einer Beschlussfassung gemäß § 22 Abs. 1 WEG nicht in gebotener Weise über ein bestehendes Zustimmungserfordernis auf, handelt er im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB pflichtwidrig; einen Rechtsirrtum hat er aber nur dann im Sinne von § 276 BGB zu vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist.

e) Ist der Verwalter der Auffassung, dass die erforderliche Zustimmung einzelner Eigentümer fehlt, und hat er deshalb Bedenken gegen die Verkündung eines auf eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG gerichteten Beschlusses, für den sich eine einfache Mehrheit ausgesprochen hat, so kann er, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen.


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Michael Henn
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