Hans-Michael Mache
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Verschärfte Anforderungen an die Organisationspflicht von Unternehmen in Deutschland




Von Rechtsanwalt Dr. Hans-Michael Mache, Frankfurt
Die Medien haben in den letzten Tagen berichtet, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermitt-lungsverfahren gegen frühere Mitglieder des Vorstandes von Siemens eingeleitet hat. Hin-tergrund ist der seit langem bekannte Vorwurf, das Unternehmen habe sich Aufträge durch Korruption beschafft.
 
Mitverursacht durch diese Entwicklungen sehen sich derzeit auch zahl-reiche andere Unternehmen einer Überprüfung durch Fachbehörden ausgesetzt.
Aus rechtlicher Sicht ist dabei besonders interessant, dass diese (Ermittlungs-) Verfahren nicht speziell eine Korruptionshandlung oder den dadurch erzielten Erfolg zum Inhalt haben. Hintergrund der Verfahren ist eine besondere Bestimmung des deutschen Ordnungswidrig-keitengesetzes (OWiG). Dessen § 130 trägt den Titel „Verletzung der Aufsichtspflicht im Un-ternehmen“. Darin wird von der Führungsspitze jedes Unternehmens gefordert, das eigene Unternehmen so zu organisieren, dass Pflichtverletzungen vermieden werden. Unter Pflicht-verletzungen werden alle mit Strafe oder einem Bußgeld belegten Handlungen oder Unter-lassungen verstanden.
Korruption ist dabei nur eine von vielen möglichen Pflichtverletzungen. Genauso kommt diese Vorschrift zur Anwendung, wenn z. B. ein Störfall bei dem Betrieb der Produktionsanlagen einen Umweltschaden verursacht hat, wenn durch den Fehler eines Produktes ein Verbraucher geschädigt wurde oder auch dann, wenn durch Überladung eines LKW ein Verkehrsunfall verursacht wurde. In all diesen Fällen kann, je nach Schadenshöhe, die zuständige Überwachungsbehörde oder die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren aufgrund § 130 OWiG gegen die Unternehmensführung einleiten. Darin wird überprüft, welche organisatori-schen Vorkehrungen im Unternehmen bestanden, um gerade den Eintritt solcher Schäden zu verhindern. Die Anforderungen gelten für jedes Unternehmen, unabhängig von Größe oder Rechtsform. Von Gesetzgebung und Rechtsprechung wird in solchen Fällen der Nach-weis erwartet, dass der betreffende Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und für gerade diese Tätigkeit qualifiziert war. Darüber hinaus muss er laufend hinsichtlich der Anforde-rungen seines Arbeitsplatzes geschult worden sein. Schließlich besteht die Notwendigkeit der re-gelmäßigen Überwachung.

Diese Verpflichtung richtet sich zunächst an den Unternehmer oder das Organ der Gesell-schaft. Eine Delegation der Pflichten ist möglich. Voraussetzung ist aber auch dabei, dass die betreffenden Personen für die Übernahme einer solchen Verantwortung geeignet sind, d.h. über entsprechende Ausbildung und Betriebserfahrung verfügen. Häufig wird überse-hen, dass auch im Falle der Delegation ein Unternehmer oder das Mitglied des Führungsor-ganes nie vollständig von der Verantwortung entbunden wird. Es verbleibt stets die Notwen-digkeit, sich regelmäßig und durch geeignete Maßnahme von der Funktionsfähigkeit der Or-ganisation, d.h. insbesondere vom Funktionieren der Delegation, zu überzeugen.
Für den Verlauf solcher Ermittlungsverfahren ist regelmäßig entscheidend nicht nur die Fra-ge, ob die Unternehmensführung diesen Pflichten nachgekommen ist, sondern vor allem, ob dies zweifelsfrei und rechtssicher dokumentiert worden ist. Dabei ist zu beachten, dass die in den meisten Unternehmen vorhandenen Managementsysteme z.B. nach DIN ISO EN 9001, 140001 oder ISO 18001, nicht automatisch als Nachweis der Erfüllung dieser Organisations-pflichten ausreichen. Diese freiwilligen Systeme, auch wenn sie zertifiziert sind, haben eine ganz andere Zielrichtung.
Deutsche Fachbehörden haben aufgrund der oben erwähnten Erfahrungen aus der Großin-dustrie mit der Überprüfung der Organisationen auch mittelständischer Unternehmen begon-nen. Eine rechtzeitige, konsequente Überprüfung der eigenen Betriebsorganisation auf haf-tungsrechtliche Risiken insbesondere im Bereich der Produktsicherheit, des Anlagenbetrie-bes und des Arbeitsschutzes kann deshalb nur dringend empfohlen werden. Bestehen hier Versäumnisse, kann dies leicht zur persönlichen Haftung von Inhaber, Vorstand oder Ge-schäftsführer für irgendwelche rechtswidrigen Handlungen von Mitarbeitern führen, von de-nen die Unternehmensführung nicht einmal Kenntnis hatte.
Das Bußgeld nach § 130 OwiG beträgt bis zu einer Million Euro. Hinzu kommen aber zu-nehmend (Beispiel Siemens) massive Schadenersatzforderungen des eigenen Unterneh-mens, z.B. durch Aufsichtsrat, Gesellschafter oder Nachfolger auf der eigenen Position. Be-sonders kritisch ist dabei für die betroffenen Manager, dass auch die Versicherungen wie D & O in solchen Fällen meist gezielt nach Hinweisen auf eine bewusste Pflichtverletzung su-chen, um darüber die Zahlung verweigern oder kürzen zu können.
Der Autor ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung
Rechtsanwalt Dr. Hans-Michael Mache
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