Norbert Gieseler
Meinhardt, Gieseler & Partner mbB Kanzlei für Wirtschaftsrecht
Rathen­auplatz 4-8
90489 Nürnberg


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Die "Haftungsgefahren" des GmbH-Geschäftsführers




von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gieseler, Nürnberg
Der Geschäftsführer einer GmbH ist vielfältigen Haftungsgefahren ausgesetzt. Zwar haftet der GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten der GmbH.
 
Von diesem Grundsatz haben der Gesetzgeber sowie die Rechtsprechung jedoch einige Ausnahmen gemacht, die im Nachfolgenden dargestellt werden sollen. Hierbei wird nicht Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Problemgestaltungen dargestellt:
I. Zivilrechtliche Haftungstatbestände:
1. Haftung gegenüber Gläubigern der GmbH:
a) § 11 Abs. II GmbHG:
Der GmbH-Geschäftsführer haftet für die Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber den Gläubigern der GmbH für alle die Geschäfte, die er nach notarieller Beurkundung der GmbH-Satzung bis zur Eintragung der GmbH im Handelsregister veranlasst hat. Hierbei ist es nicht maßgebend, ob er sie selbst veranlasst oder einen Dritten beauftragt, ein solches Geschäft abzuschließen.
Für diese Geschäfte kann ein Gläubiger der GmbH also neben der GmbH in Gründung den Geschäftsführer in Anspruch nehmen. Diese Haftung des GmbH-Geschäftsführers erlischt mit Eintragung der GmbH. Der Geschäftsführer muss sich daher darüber im Klaren sein, ob er bereit ist, vor Eintragung der GmbH für diese bereits zu handeln. Das Risiko realisiert sich dann, wenn die Eintragung der GmbH scheitert.
Kauft beispielsweise ein Geschäftsführer einer GmbH nach notarieller Beurkundung der GmbH-Satzung, aber vor Eintragung der GmbH im Handelsregister für die GmbH Waren ein, haftet er für die Zahlung des Kaufpreises auch mit seinem Privatvermögen. Erst mit Eintragung der GmbH im Handelsregister erlischt diese Haftung.

b) § 823 Abs. II BGB i. Verb. m. § 64 Abs. II GmbHG:
Nach § 64 Abs. I GmbHG ist der Geschäftsführer verpflichtet, ohne schuldhafte Verzögerung, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH, einen Insolvenzantrag zu stellen. Verletzt er diese Pflicht, macht er sich den Gläubigern der GmbH gegenüber schadensersatzpflichtig. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen sogenannten Alt-und Neugläubigern. Altgläubiger sind diejenigen, deren Forderung vor dem Zeitpunkt der Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrages begründet waren. Diese Alt gläubiger können vom Geschäftsführer den sogenannten Quotenschaden ersetzt verlangen.
Hierunter versteht man den Schaden, den der Gläubiger erlitten hat, da der Antrag auf Insolvenz zu spät gestellt wurde. Man muss daher die quotenmäßige Befriedigung des Gläubigers für den hypothetischen Fall der rechtzeitigen Insolvenzantragstellung ermitteln und diesen im Verhältnis zu der tatsächlichen Befriedigung im Rahmen des Insolvenzverfahrens stellen.
Unter Neugläubigern versteht man solche, deren Forderung nach dem Zeitpunkt der Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrages begründet wurden. Diese Neugläubiger bekommen das sogenannte negative Interesse erstattet. Das heißt, sie sind vom Geschäftsführer so zu stellen, als hätten sie keinen Vertrag mit der insolventen GmbH geschlossen. Er errechnet sich daher aus den Anschaffungs-und Herstellungskosten einschließlich der Vertriebskosten, jedoch ohne den Aufschlag.
Der oben benannte Quotenschaden der Altgläubiger wird von dem Insolvenzverwalter nach § 92 InsO im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht. Eine individuelle Geltendmachung dieses Schadens kommt nur nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in Betracht oder wenn der Insolvenzantrag mangels ausreichender Masse abgewiesen wird.
Die Neugläubiger dagegen müssen ihre Ansprüche selbst geltend machen.
In der Praxis häufiger sind die Ansprüche der Neugläubiger. Beauftragt sie beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH mit einer Warenlieferung zu einem Zeitpunkt, wo an sich der Geschäftsführer bereits einen Insolvenzantrag hätte stellen müssen, können sie den Geschäftsführer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen in Höhe der Anschaffungs-und Herstellungskosten inkl. Vertriebskosten, aber ohne den Gewinn. In der Praxis versucht man, die Information, ob die Beauftragung nach dem Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht entstanden ist, herauszufinden, indem man in die Insolvenzakten Einsicht nimmt, um dort anhand des Gutachtens des Insolvenzverwalters die erforderlichen Informationen zu erhalten.

2. Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft:
Nach § 43 Abs. I GmbHG hat der Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes einzuhalten. Verletzt er diese Sorgfaltspflicht, macht er sich gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig. Dieser Sorgfaltsmaßstab wird beschrieben als der einer Person in der verantwortlichen leitenden Stellung des Verwalters eines fremden Vermögens oder als der eines selbständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen. Hierbei ist natürlich Art und Umfang des Unternehmens zu berücksichtigen. Die arbeitsrechtlichen Grund- sätze zur Haftungsmilderung (gefahrgeneigte Arbeit) sind für den Geschäftsführer nicht anwendbar.
Soweit der Geschäftsführer diese Sorgfalt nicht wahrt und der GmbH hierdurch ein Schaden entsteht, ist er zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Der Sorgfaltsmaßstab muss individuell ermittelt werden.
Geregelt sind in Abs. III des § 43 GmbHG Sonderfälle der Haftung. So haftet der Geschäftsführer beispielsweise bei Zahlungen aus dem Stammkapital entgegen dem § 30 Abs. I GmbHG, also unter Verletzung des Grundsatzes der Erhaltung des Stammkapitals. Neben ihm haften natürlich auch die Zahlungsempfänger (§ 31 Abs. I GmbHG).
Wenn beispielsweise der Geschäftsführer an die Gesellschafter Ausschüttungen vornimmt, obwohl keine Gewinne vorhanden sind, verstößt er hiermit gegen den Grundsatz der Erhaltung des Stammkapitals und haftet für den Rückzahlungsanspruch der GmbH gegen die Gesellschafter persönlich.
Darüber hinaus kommt eine Haftung beim Erwerb eigener Geschäftsanteile durch den Geschäftsführer entgegen den Pflichten aus § 33 GmbHG in Betracht, also dann, wenn die erworbenen Geschäftsanteile nicht voll einbezahlt sind.
Die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer verjähren in fünf Jahren.
II. Steuerliche Haftung:
Die steuerliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers hat in der Praxis eine enorm große Bedeutung, so dass die Anzahl der Haftungsbescheide eine stark steigende Tendenz aufweisen. Die für Haftungsbescheide zuständigen Finanzämter überprüfen im Rahmen eines jeden Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, den GmbH-Geschäftsführer der insolventen Firma in Haftung zu nehmen.

1. Haftung des Geschäftsführers für Lohnsteuer:
Bei der nicht rechtzeitig abgeführten und damit verkürzten Lohnsteuer handelt es sich um einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist die Frage des Verschuldens des GmbH-Geschäftsführers bei der Abführung einbehaltener Lohnsteuer streng zu beurteilen. Die Lohnsteuer ist für den Arbeitgeber wirtschaftlich fremdes Geld. Er darf es daher nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden.
Wenn die vorhandenen Gelder für die Abführung der Lohnsteuer nicht ausreichen, muss der Unternehmer die Löhne entsprechend gekürzt als Vorschuss-oder Teilbetrag auszahlen und die entsprechende Lohnsteuer abführen. Verstößt er gegen diese Pflicht, entsteht eine Haftung des GmbH-Geschäftsführers persönlich. Nur in Ausnahmefällen kann dieser sich auf ein fehlendes Verschulden berufen.
Wird die Stundung beantragt, muss unabhängig von dem gestellten Stundungsantrag für die rechtzeitige Bereitstellung der Lohnsteuer so lange gesorgt werden, wie nicht über den Stundungsantrag positiv entschieden ist. Dadurch, dass der Unternehmer die Lohnsteuer ohne weiteres wirtschaftlich als vom Finanzamt gewährtes Darlehen betrachtet, hat er schuldhaft gehandelt, soweit die Lohnsteuer nicht rechtzeitig bezahlt werden kann. Diese außerordentlich harte Entscheidung des BFH führt zu dem dringenden Rat an alle Geschäftsführer, bei sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen dringend auf Lohnsteuerzahlungen zu achten, um eine persönliche Haftung zu vermeiden, es sei denn, vor dem Fälligkeitszeitpunkt wird mit dem Finanzamt eine Übereinkunft getroffen.
Bei Liquiditätsschwierigkeiten darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder als Teilbetrag auszahlen. Aus den verbleibenden Mitteln muss er die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen.
Das gleiche gilt natürlich sinngemäß für den Solidaritätszuschlag.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass der in Haftung genommene Geschäftsführer gegenüber dem Finanzamt einwendet, er sei für die Abführung der Lohnsteuer nicht zuständig gewesen. Dieses Argument greift nur bedingt. Soweit es mehrere Geschäftsführer gibt und eine schriftliche Vereinbarung über die Verteilung der jeweiligen Geschäftsgebiete, kann sich der Geschäftsführer, der nicht für den Bereich der Finanzen und Steuern zuständig ist, grundsätzlich auf das fehlende Verschulden berufen. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung von einer Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer, zumindest eine gewisse Überwachung der
Geschäftsführer im Ganzen, ausgeht. Insbesondere kann die erkennbar schlechte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft oder auch die Person des handelnden Geschäftsführers zu einer Überwachung Veranlassung geben. In diesem Zusammenhang ist daher eine eindeutige und schriftliche Regelung der Geschäftsverteilung zwischen den Geschäftsführern unbedingt erforderlich, die aber dennoch eine Überwachungsverpflichtung verbleiben lässt.
Die gleiche Problematik stellt sich natürlich bei der Zuständigkeit eines Buchhalters. Auch dieser muss überwacht werden. Im Fall einer Krise einer GmbH muss der Geschäftsführer sich selbst um die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten kümmern.
2. Haftung des Geschäftsführers für Umsatzsteuer:
Der Geschäftsführer einer GmbH haftet für die Umsatzsteuerschulden, die vor Stellung des Antrags auf Insolvenz entstanden sind, wenn er die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger benutzt. Es ist daher immer zu prüfen, ob noch im Augenblick der Fälligkeit der Steuer Forderungen anderer Gläubiger bezahlt worden sind.
Soweit dies der Fall ist, die Steuer aber nicht entrichtet wurde, besteht eine Haftung des Geschäftsführers.
Für die Berechnung der Höhe des Haftungsbetrages für nicht an das Finanzamt entrichtete Umsatzsteuer werden die während des Haftungszeitraumes zur Verfügung stehenden Mittel zugrunde gelegt und eine Tilgungsquote sämtlicher Verbindlichkeiten ermittelt. Mit dieser Tilgungsquote haftet der Geschäftsführer für die Umsatzsteuer.
Der Geschäftsführer genügt daher seinen Pflichten nicht, wenn er lediglich das Finanzamt anteilig berücksichtigt. Vielmehr ist er zu einer überschlägigen, bezogen auf den Haftungszeitraum, Ermittlung der Tilgungsquote verpflichtet. Diese Verpflichtung erstreckt sich nicht auf jede einzelne Zahlung. Vielmehr muss die Quote einmal errechnet werden und kann dann bei jeder Zahlung zugrunde gelegt werden. Lediglich wenn eine Änderung des Sachverhaltes, insbesondere der zur Verfügung stehenden Mittel, eintritt, ist die Quote neu zu ermitteln.
Der Geschäftsführer einer GmbH muss somit im Falle eines Liquiditätsengpasses sorgfältig überprüfen, wie viele liquide Mittel vorhanden sind und wie viele Verbindlichkeiten hiervon bedient werden müssen. Reichen die liquiden Mittel nicht aus, muss eine Quote gebildet werden und das Finanzamt, bezogen auf die Umsatzsteuer, in Höhe dieser Quote bedient werden.

Anderenfalls haftet der Geschäftsführer in Höhe dieser zu errechnenden Quote auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt.
III. Haftung für Sozialversicherungsbeiträge:
Der Geschäftsführer einer GmbH haftet auch gemäß §§ 823 Abs. II BGB i. Verb. m. 266 a) StGB für die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer, soweit diese nicht rechtzeitig abgeführt wurden.
Die Haftung erstreckt sich allerdings nur auf den Arbeitnehmeranteil, da die GmbH dieses Geld genauso wie die Lohnsteuer als Fremdgeld für den Arbeitnehmer hält und an die entsprechenden Sozialversicherungsträger abzuführen hat.
Der GmbH-Geschäftsführer muss daher im Falle eines Liquiditätsengpasses darauf achten, dass neben der Lohnsteuer zumindest auch die Arbeitgeberanteile der Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden.
Sollte dies nicht möglich sein, muss mit dem Arbeitnehmer eine Reduzierung von dessen Gehalt vereinbart werden. Die Haftung auf die Sozialversicherungsbeiträge entsteht nämlich auch dann, wenn tatsächlich kein Nettolohn ausbezahlt wird.
Der Autor ist Vizepräsident der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung
Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht/Fachanwalt für Erbrecht
Kanzlei Dr. Scholz & Weispfenning
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